AEE INTEC forscht in sehr vielen unterschiedlichen Themenbereichen zur Transformation der Industrie und Wirtschaft, was ist der derzeit dynamischste Sektor?
Ewald Selvicka: Derzeit spüren wir ein steigendes Bewusstsein für Ressourcen- und Energieeffizienz im Bau- und Gebäudebereich – auch im Zuge neuer EU-Regularien. Aus diesem Sektor bekommen wir aktuell die meisten Anfragen. Daneben ist in den letzten Jahren eine starke Dynamik am Energieforschungssektor entstanden. Der Schock der Gaspreiskrise und der sich anbahnende Ausstieg der Industrie aus Öl und Gas hat großes Interesse nach alternativen Energiekonzepten ausgelöst. In all diesen Themen unterhalten wir viele Forschungsprojekte und versuchen als Ergebnis Prototypen oder anwendbare Systeme zu entwickeln.
Wo liegen Ihre aktuellen Schwerpunkte im Bereich der Umwelttechnik und Kreislaufwirtschaft?
Das Thema Kreislaufwirtschaft schlägt bei uns neben den klassischen Industrieprozessen vor allem in Form von innovativen Forschungsprojekten im Bausektor auf. In dieser Branche werden enorme Materialmengen bewegt und verwertet. Wir sind hier mit Bauträger:innen in Verbindung, die diese Mengen bereits als mögliche Ressourcen verstehen und immer mehr im Kreislauf führen wollen. Wir müssen unsere Reststoffe immer mehr als Wertstoffe begreifen. Die Zeit, in der Materialien eindimensional verwendet und verbraucht werden konnten, ist vorbei. Wir sind immer noch viel zu großzügig mit dem Einsatz von Primärmaterialien und -stoffen. Das Feld der Wiederverwertung bietet dabei noch viele Potenziale zur Verbesserung unserer industriellen Prozesse und damit auch zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Innovationsfeld im Energiebereich in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Das sind eindeutig die Speichertechnologien. Wir müssen es schaffen im Sommer erzeugte Energieüberschüsse besser und effizienter in den Winter zu transferieren, wo wir den höchsten Bedarf an Energie haben. Das wird nur mit intelligenten Speichern, „power-to-heat“ bzw. „power-to-power“ Technologien möglich sein. Darüber hinaus gilt es hochleistungsfähige Abwärmelösungen zu erschaffen, die die in industriellen Prozessen erzeugte Wärmeenergie ohne große Verluste verfügbar machen. Bei AEE INTEC forschen wir dabei in mehreren Projekten an Großwärmespeichern, etwa im Rahmen des EU-Projekts „TREASURE“ oder auch im Projekt „ScaleUp“ gemeinsam mit Wien Energie an der Konzipierung eines unterirdischen Großwärmespeichers in Wien Donaustadt. Dazu gibt es EU-weit schon zahlreiche Forschungs- und Demonstrationsprojekte, aber in Österreich sind wir sicher Vorreiter darin diese Technologie in dichtbesiedelten, städtischen Regionen anwendbar zu machen.
Wo liegen die zentralen Ziele von AEE INTEC für die nächsten Jahre?
Wir wollen weiterhin an allen wichtigen Transformationsthemen unserer Zeit arbeiten. Aktuell forschen wir beispielsweise im Rahmen eines Wasserstoffprojektes an der direkten fotokatalytischen Erzeugung von Wasserstoff ohne Elektrolyse. Damit würden neben Solarkollektoren (Wärme) und PV-Anlagen (Strom) in Zukunft auch Solar-Reaktoren (zur Wasserstofferzeugung) möglich. Zudem werden wir uns weiterhin auf die zentralen Themen Kreislaufwirtschaft, Sanierung und Energieeffizienz konzentrieren – vielfach haben wir schon technologische Lösungen, erreichen aber die Bevölkerung noch nicht so damit, wie es nötig wäre. Das ist auch mir persönlich ein großes Anliegen, nämlich die Beteiligung und Bereitschaft der Bevölkerung für die Transformation unserer Energie- und Wirtschaftssysteme zu intensivieren und diese als Chance für die Zukunft zu erkennen.