Kreislaufwirtschaft kann auch in einer Matratze stecken

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Wie sind Sie auf die Idee gekommen mit einem Startup-Unternehmen kreislauffähige Matratzen herzustellen?

Verena Judmayer: MATR wurde 2022 von Michaela Stephen und mir selbst gegründet, nachdem wir auf die Zahlen zu den jährlich weggeworfenen Matratzen gestoßen sind: Über eine Million Matratzen allein in Österreich landen jedes Jahr im Abfall und müssen entsorgt werden – in Europa sind es über 30 Millionen. Das hat uns sehr zu denken gegeben und wir haben sofort überlegt, was man daran ändern könnte. Das war die Geburtsstunde von MATR. Wir haben über Ansätze aus der Kreislaufwirtschaft unsere Lösung – eine kreislauffähige Matratze für Hotels – entwickelt, diese immer weiter verfeinert und Partner:innen dazugewinnen können. Aktuell haben wir 20 Kund:innen, die wir mit unseren Matratzen beliefern dürfen; mit jeder einzelnen davon sinkt der riesige Müllberg und das macht uns sehr stolz. 

Wie hat es MATR geschafft die Kreislaufwirtschaft in seine Matratzen zu bringen? 

Wir arbeiten mit speziellen Materialien und mit sehr durchdachten Designansätzen, um das Produktleben enorm zu verlängern. Ein wichtiger Aspekt ist der modulare Aufbau und die nachfolgende einfache Zerlegbarkeit. Wenn das gewährleistet ist, kann man hochwertige Materialien verarbeiten und integrieren – viele davon sind bereits aus Recyclingmaterial. Nach der Nutzung unserer beiden MATR-Modelle sind sie komplett recycelbar und alle Materialien können weiterverwendet werden. Wir nehmen unsere Matratzen auch selbst wieder zurück. Das stößt vor allem bei unseren Kund:innen im Hotelleriebereich auf großes Interesse. Wir arbeiten aktuell gerade an unseren Refurbishment-Lösungen, um auch die Lebensdauer von gebrauchten Matratzen weiter zu verlängern, und konnten schon einige Pilotprojekte in dieser Richtung umsetzen. 

Warum ist die Recyclingfähigkeit von Matratzen so lange unbeachtet geblieben? 

Ich glaube, dass viele das Potenzial einfach nicht erkannt haben – weder von Konsument:innen noch auf Herstellerseite. Matratzen galten seit jeher als Sperrmüll und mussten in Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden. Im linearen Wirtschaftsdenken ist es auch nicht selbstverständlich Strategien anzuwenden, die ein Produkt so lange wie möglich erhalten. Wenn man aber innovative Grundsätze anlegt und den Herstellungsprozess Schritt für Schritt aufschlüsselt und neu denkt, ist eine recyclingfähige Matratze gar nicht so schwer umzusetzen – also keine „Raketenwissenschaft“. Wenn man auf schnelle Folgekäufe abzielt, wird man sich aber nicht darüber den Kopf zerbrechen, wie man zum Beispiel die Klebstoffe in einer Matratze ersetzt; übrigens einer der Hauptgründe für deren vormals schlechte Recyclingfähigkeit. Bei unseren Modellen arbeiten wir zum Teil völlig ohne Klebstoffe und haben stattdessen spezielle Steckverbindungen entworfen. Letztlich haben wir in unserer Philosophie auch am Ende des Lebenszyklus immer noch Verantwortung für unser Produkt – und das ist wohl der entscheidende Unterschied. 

Um dies zu forcieren, haben Sie auch im letzten Jahr die österreichische Matratzenallianz mitgegründet … 

Richtig. Die Allianz wurde 2024 von MATR gemeinsam mit NEVEON, Betten Eberharter und dem ClimateLab gegründet, mit dem Ziel den Matratzenkreislauf vollständig zu schließen und die Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft zu starten. Unter anderem auch aus der Notwendigkeit heraus, dass sich neue Regelungen – wie etwa die EU-ÖkoDesign Verordnung mit dem digitalen Produktpass – auf die Matratzenbranche auswirken werden. Daher arbeiten wir innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette intensiv zusammen, um ganzheitliche Lösungen von der Produktion bis hin zum Recycling zu ermöglichen. Mittlerweile zählen wir über 20 Mitglieder, denn eines ist klar: Gemeinsam können wir einfach viel mehr bewegen. 

Wie weit ist man von diesem Ziel noch entfernt?

Wir haben noch einiges zu tun, es wurden aber auch schon wichtige erste Initiativen gestartet wie die Erarbeitung zirkulärer Design Kriterien, die Zielsetzung zur Entwicklung einer freiwilligen Inverkehrbringergebühr (EPR) sowie der Fokus auf eine Lösung für den Digitalen Produktpass. Ein besonderes Erfolgsbeispiel ist LOOP-it – ein Joint Venture des Schaumstoffspezialisten NEVEON und des Kreislaufwirtschaftsunternehmens BRANTNER green solutions, wo die Sammlung sowie das Zerlegen und Recycling alter Matratzen umgesetzt wird. Die dadurch gewonnenen Rohstoffe werden zur Herstellung neuer Produkte wie Teppichunterlagen oder Schalldämmungselemente genutzt. Bei der Sammlung arbeitet man intensiv mit kommunalen Wertstoffsammelzentren zusammen, die generell wichtige Partner für die Kreislaufführung von Matratzen sind. Erst wenn Matratzen getrennt gesammelt werden können, kann ein separierter Verwertungsweg aufgebaut werden. 

Gibt es bei recycelten Matratzen eigentlich Komfortverluste, den man als Konsument:in akzeptieren muss? 

Nein. Wenn ein Produkt erfolgreich sein soll, muss man auch den Hauptnutzen davon optimal erfüllen können, und das ist bei einer Matratze: Komfort. Guter Schlaf, angenehme Liegequalität, ergonomische Unterstützung des Rückens und gute Durchlüftung – dieses 1×1 muss gegeben sein und das ist auch bei unseren Matratzen so. Ihre Kreislauffähigkeit und Nachhaltigkeitswerte sind am Ende in puncto Kaufanreize eher als „nice to have“ einzustufen. Dennoch heben sich unsere Modelle durch diese Qualitäten vom Markt ab und zeigen auf, dass der Fokus auf Kreislaufwirtschaft bei einem Produkt keine Einbußen im Komfort mit sich bringen muss. Ganz im Gegenteil: durch den Einsatz hochwertiger Materialien wird ein langanhaltender, optimaler Schlafkomfort erst ermöglicht.

Verena Judmayer, MATR
© Patrick Weichmann

Verena Judmayer

Geschäftsführerin MATR

„Der Fokus auf Kreislaufwirtschaft bringt nicht nur hohen Schlafkomfort für eine lange Zeit, sondern ist auch ein klares Unterscheidungsmerkmal am Markt.“
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Verena Judmayer ist Chief Dream Officer und Co-Founder von MATR, einem mehrfach ausgezeichneten Circular Economy Startup aus Wien. Zudem ist sie Co-Initiatorin und Vorstandsmitglied der Österreichischen Matratzen Allianz und engagiert sich als Vorstandsmitglied beim Social Entrepreneurship Network Austria sowie im Industriebeirat der Modul Universität Wien. Vor der Gründung ihres Startups war Judmayer als Senior Innovation Consultant bei Pioneers tätig.

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